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Trauriges Kind
Foto: Kian Hall / pixabay.com

Laut Schätzungen des Robert Koch-Instituts werden in Deutschland jährlich 150.000 bis 200.000 Kinder unter 18 Jahren neu mit der Situation konfrontiert, dass bei Mutter oder Vater “Krebs” diagnostiziert wird. Das heißt: In jeder dritten Familie, in der ein Elternteil an Krebs erkrankt, leben minderjährige Kinder. 


Die Krankheit beeinflusst das Leben aller Familienmitglieder. Auch Kinder sind Mitbetroffene und tragen – oft über Jahre – die Belastungen mit, die die Krebserkrankung für die Familie bedeutet. Nicht selten werden die Strapazen für die Kinder auch von den eigenen Eltern unterschätzt oder nicht erkannt. Doch ein solch einschneidendes Erlebnis prägt die Kindheit und die Entwicklung der Kinder nachhaltig. Häufig sind Eltern unsicher, ob und in welcher Form sie ihre Kinder über den Krebs informieren sollen und welche Unterstützung auch die Kinder während der Erkrankung brauchen. 


Was die Erkrankung der Eltern mit den Kindern macht

Die Krankheit im Mittelpunkt


>>> Diagnose “Krebs” bei einem Elternteil – Schock und Erschrecken macht sich breit! <<<


Von einem Tag auf den anderen steht die Krankheit im Fokus des Familienlebens. Untersuchungstermine, Krankenhausaufenthalte und ambulante Behandlungen müssen wahrgenommen werden – der eingespielte Familienalltag gerät zumeist aus den Fugen. Die Unbefangenheit im Umgang mit dem eigenen Körper, aber auch mit dem Lebenspartner, der Partnerin und mit den Kindern ist verloren gegangen. Nicht selten tritt eine Trilogie von Angst, Orientierungslosigkeit und Verunsicherung auf. Kinder erleben häufig, dass der betroffene Elternteil gewohnte Aufgaben nicht mehr übernehmen kann, unter Therapienebenwirkungen wie Müdigkeit oder Übelkeit leidet, wegen einer Chemotherapie die Haare verliert. Außerdem spüren sie die Ängste und Sorgen, die Eltern und andere Familienmitglieder im Hinblick auf den weiteren Verlauf der Erkrankung haben.

Fragen und Gedanken, die Kinder bewegen


Kleinkinder erleben vor allem Trennungen von den Eltern als große Belastung und nehmen atmosphärische Veränderungen in der Familie deutlich wahr. Kindergartenkinder können bereits eigene Fantasien zum Krankheitsgeschehen und zu Behandlungen entwickeln, die mitunter mehr Angst machen als die Realität. Neben den Veränderungen des Alltags kann Grundschulkinder auch die Frage beschäftigen, ob sie selbst eine Mitschuld an der Erkrankung der Eltern tragen. Jugendliche und Pubertierende befinden sich in der besonderen Situation, dass sie sich einerseits in dem natürlichen Loslösungsprozess von ihren Eltern befinden und sich langsam von deren Einstellungen und Sichtweisen entfernen, andererseits aber die Verantwortung verspüren, den Eltern in der Krise beizustehen. Zudem kann in dieser Altersgruppe auch die Angst aufkommen, selbst an Krebs zu erkranken. 


Auswirkungen auf die kindliche Psyche


Krisen haben ganz allgemein einen enormen Einfluss auf die Psyche von Menschen. Wie Kinder eine solche Ausnahmesituation verarbeiten, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Nicht jedes Kind, dessen Mutter oder Vater an Krebs erkrankt, entwickelt automatisch behandlungsbedürftige Probleme. Studien zur Belastung von Kindern schwer körperlich kranker Eltern zeigen jedoch, dass das Risiko für psychische Auffälligkeiten, insbesondere in Form von Ängsten, depressiven Zuständen und psychosomatischen Beschwerden, erhöht ist. Diese Auffälligkeiten können von begrenzter Dauer sein, in manchen Fällen bleiben sie aber auch längerfristig bestehen. Möglich ist auch, dass sich die Auswirkungen der krisenhaften Familiensituation erst nach einiger Zeit zeigen. Wenn ein Elternteil an Krebs erkrankt, reagieren viele Kinder zunächst angepasst und sind bemüht, die Familie nicht zusätzlich zu belasten. Gerade dann kann es passieren, dass die seelische Belastung eines Kindes übersehen oder unterschätzt wird.


Familiärer Umgang mit der Erkrankung ist entscheidend


Entgegen der Vermutung, dass vor allem objektive Krankheitsaspekte, wie z.B. der Schweregrad der Erkrankung, das Ausmaß der kindlichen Belastung bestimmen, deuten wissenschaftliche Untersuchungen darauf hin, dass an erster Stelle familiäre Faktoren von Bedeutung sind. So gelten problematische, dysfunktionale familiäre Beziehungsmuster und erhöhte Depressionswerte auf Seiten der Eltern als Risikofaktor für die seelische Belastung von Kindern krebskranker Eltern. Einen entscheidenden Schutzfaktor bietet dagegen die stetige und glaubwürdige Kommunikation innerhalb der Familie: Wenn es den Familienmitgliedern gelingt, offen und ehrlich über die Krankheit zu sprechen und dabei auch Emotionen zuzulassen, wirkt sich das insgesamt positiv aus. Kinder zeigen sich dann weniger belastet als in Familien, in denen dies eher vermieden wird.


Offenheit hilft


>>> Je offener und ehrlicher mit der Erkrankung umgegangen wird, desto einfacher ist es für Kinder, eigene Ängste und Unsicherheiten zu artikulieren und Fragen zu stellen. <<<


Experten raten dazu, Kinder möglichst früh auf altersgerechte Weise über die Erkrankung zu informieren und sie auch im weiteren Verlauf mit einzubeziehen. Das stärkt das Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Kindern und bietet die Chance, dass Sorgen und Nöte angesprochen werden, die sonst im Verborgenen bleiben.
Gleichzeitig fragen sich betroffene Eltern: Wie finde ich die richtigen Worte? Wie viel Information ist in welchem Alter angemessen? Mit welchen Reaktionen muss ich rechnen? Eine Krebsdiagnose kann Eltern stark verunsichern und dazu führen, dass sie sich in ihrer Elternrolle weniger kompetent fühlen. Daher kann es für Eltern entlastend sein, Informationen und Anregungen einzuholen. Auch kann es helfen, das Gespräch mit professionellen Unterstützern zu suchen, die Erfahrung in der Begleitung von krebsbetroffenen Familien haben.

Text: Einige Passagen vom Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschunsgszentrums übernommen

Informations- und Beratungsangebote für Familien

Um Familien bei der Krankheitsbewältigung zu unterstützen, gibt es professionelle Informations- und Beratungsangebote, die auch im Sinne einer präventiven Hilfe in Anspruch genommen werden können. In meiner systemisch therapeutischen Arbeit im Auftrag der Dehrner Krebsnothilfe e.V. begegne ich vielen jungen Menschen im Kontext krebsbetroffener Familien. Ihnen und ihren Eltern will ich Halt und Stütze in der gemeinsamen Krisenbewältigung sein. Jede meiner prozessorientierten Begleitungen zeigt mir einmal mehr “wie viel Kraft die Seele dem Körper zu verleihen vermag”. 


Anmerkung: Auch in Zeiten von Corona möchte ich meine Klienten, groß wie klein, weiterhin unterstützen und begleiten. Die psychische Belastung hat dadurch nicht abgenommen – im Gegenteil, es kommen andere Themen und Fragen hinzu: z.B. veränderte Besuchsregelungen im Krankenhaus einzuplanen, Nähe trotz körperlicher Distanz auf der Beziehungs-ebene zu schaffen. Unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Corona-Regeln und Einschränkungen sind veränderte, der Situation angepasste Begleitungskontexte jederzeit möglich.