Wir sind "einfach da, wenn man uns braucht!"

Cdd20 / pixabay.com
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Nicht immer erfüllen sich unsere Hoffnungen. Das gilt in besonderer Weise, wenn wir einen geliebten Menschen verlieren. Was unmöglich erschien, trifft ein. Ein Unfall oder eine Krankheit die nicht besiegt werden kann. Trotz aufbegehren und langem kämpfen, trotz engem Zusammenhalt. Was bleibt sind Enttäuschung und Erschöpfung, Müdigkeit und Trauer. Vielleicht existentielle Sorgen und die Zerstörung bisheriger Lebensperspektiven.

Zudem können alte Konflikte wieder aufbrechen, jetzt wo die intensive Fokussierung auf den erkrankten Angehörigen nicht mehr besteht. Konflikte mit anderen Familienmitgliedern, kaum eingestandener Ärger über den Verstorbenen, der vielleicht zu der schwierigen Situation beigetragen oder sie nicht verhindert hatte.

Auch Ärger und Trauer über das Schicksal, über Gott oder darüber, dass der Verstorbene uns allein gelassen hat. Alte, schlecht verheilte frühere Wunden unseres Lebens melden sich ebenfalls, wenn wir angeschlagen sind. Das Leben erscheint ungerecht und mutet gerade uns viel zu. An Feiertagen und Erinnerungstagen tut es oft besonders weh.

Was brauchen wir nun, ganz persönlich, damit diese Wunde unseres Lebens gut verheilen kann? Zunächst ist es das Eingeständnis, in einer Ausnahmesituation unseres Lebens zu stehen, für die wir Zeit brauchen und Fürsorge.

Können wir uns das zugestehen, anstatt die entstandene Lücke, den Schmerz zu ignorieren, zu betäuben oder vor ihm zu fliehen? Auch das wäre möglich und vielleicht verlockend, würde aber zu einer weiteren schlecht verheilten Lebenswunde führen, die sich immer wieder meldet, wie eine schlecht zusammen gewachsene Bruchstelle.

Was kann uns helfen in dieser Zeit des Schmerzes und der Trauer? Das ist individuell sicher sehr verschieden. Doch das Eingeständnis in einer besonderen Phase unseres Lebens zu stehen, trifft auf alle zu. Darum dürfen wir aufmerksam sein, um unsere persönlichen Bedürfnisse zu erkennen und ihnen zu folgen.

Wenn Schmerz und Hoffnungslosigkeit uns niederdrücken, ist das schwer auszuhalten. Dann tut es vielleicht gut, wenn liebe Menschen einfach nur da sind, mit uns aushalten. Gibt es diese Menschen in ihrem Leben? Vielleicht melden sich sehr widersprüchliche Gefühle. Wut über die schwere Lebensführung und erste Akzeptanz, Aufbegehren und Resignation.

Sie alle haben ihre Berechtigung. Können wir sie zulassen und ihnen einen angemessenen Raum geben? Den Raum, der uns guttut, damit wir uns zur gegebenen Zeit wieder bewusst dem Leben stellen können.
Dass kann geschehen, durch die bewusste Wiederaufnahme einer Alltagsroutine nach einer Zeit des Ausnahmezustandes. Vielleicht jedoch in reduziertem Umfang, um die Kräfte nicht zu überfordern. Durch die bewusste Hinwendung zu dem, was uns auch zuvor schon gutgetan hatte.
Qualitätszeit mit den Kindern, Enkelkindern oder mit besonderen Freunden? Die Natur, der Sport oder die Gartenarbeit, die wir uns zunächst gar nicht wieder vorstellen können. Können wir uns zugestehen, dass wir daran Freude empfinden? Vielleicht in dem Bewusstsein, dass der oder die Verstorbene uns dies von Herzen wünschen würde.
Vielleicht gestehen wir uns auch Aktivitäten zu, die im Zusammenleben mit dem Verstorbenen nicht möglich waren.

Wie kann Fürsorge aussehen in dieser Lebensphase? Durch andere und uns selbst. Ein entschleunigter Alltag? Die bewusste Einführung regelmäßiger Gewohnheiten und Rituale, die uns guttun? Ein Ortswechsel, verbunden mit besonderer Zuwendung?

Was tut ihnen gut? Finden sie es heraus und gestehen es sich zu.
Was ist aber auch dann mit den Zeiten, in denen der Schmerz überhandnimmt. Plötzlich und ohne Vorwarnung in einer Situation, die sie an ihren Verlust erinnert. Oder lange befürchtet, an besonderen Erinnerungstagen ihres gemeinsamen Lebens. Nehmen sie sich die Zeit dies zu erkennen. Ist es ein kurzzeitiger Rückzug oder die bewusste Bewältigung der Situation. Gibt es Menschen, die ihnen dabei helfen können?
Welche Erinnerungskultur möchten sie etablieren? Wäre es hilfreich Tagebuch zu schreiben oder einen Brief an den Verstorbenen? Welchen Raum soll er einnehmen an Feiertagen und bei Familienfesten? Definieren sie diesen Raum und integrieren ihn so ganz bewusst in ihr Leben danach.

Die Erkrankung und der Abschied von einem geliebten Menschen sind besonders herausfordernde Zeiten unseres Lebens. Geben wir ihr die Aufmerksamkeit, die sie verdient und die wir brauchen. Damit wir unsere persönliche Lebensreise in guter Weise fortsetzen können. Wenn ich ihnen dabei behilflich sein kann, will ich es gerne tun.

Ihre
Dorothee Bahr