Wir sind "einfach da, wenn man uns braucht!"

Achtsamkeit in der therapeutischen Begleitung krebserkrankter Menschen und deren Angehörigen

Achtsamkeitsübung
Foto: laurajuarez / pixabay.com

In Folge einer Krebserkrankung und deren meist länger dauernden Therapie kann das psychische Gleichgewicht der betroffenen Menschen und deren Angehörigen ins Wanken geraten. Daraus kann eine erhöhte psychische Belastung resultieren.

Achtsamkeitsübungen und das Erkennen eigener Bedürfnisse können unterstützen, die Balance wieder zurückzuerlangen.
Achtsamkeit ist eine fundierte Therapiemethode, die sich heute zunehmender Beliebtheit erfreut. Sie wurde in den 1970er Jahren von Prof. Jon Kabat-Zinn an der Universitätsklinik Massachusetts entwickelt und ist hierzulande unter dem Begriff MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction) zu Deutsch: Stressbewältigung durch Achtsamkeit bekannt.

Schon seit längerer Zeit hat die psychologische Wissenschaft entdeckt, dass die fernöstlichen Techniken der Achtsamkeit und Meditation eine tiefgreifende positive Wirkung auf die Gesundheit haben. So weiß man schon seit längerem, das Menschen die meditieren, sehr viel ausgeglichener, ruhiger und Stressresistenter sind.

Was sich nun vielleicht etwas esoterisch anhört und dadurch den einen oder anderen abschrecken mag, ist eine fundierte Therapiemethode. Ihre Wirksamkeit ist gut erforscht und von der Schulmedizin anerkannt.

Ziel ist es aufmerksam mit den eigenen Gefühlen und dem eigenen Körper umzugehen um dadurch ein tieferes Verständnis für sich selbst und die Umwelt zu entwickeln.

Ein wesentlicher Bestandteil der Achtsamkeit ist da Wahrnehmen und Erkennen der eigenen Bedürfnisse. Hier geht es darum, möglichst klar aktuelle Wünsche und Ziele für die eigene momentane Lage zu formulieren sowie Prioritäten für das eigene Leben herauszuarbeiten. Hier begegnen wir natürlich auch unseren Ängsten und Sorgen und auch den eigenen Vermeidungs- und Unterdrückungstendenzen. Ein Sprichwort sagt: „der Weg ist da wo die Angst ist“.

Wir lernen unsere Gefühle, wie Angst, Wut, Trauer, usw. da sein zu lassen und zu beobachten. Aus der Beobachterperspektive sind die Gefühle und Gedanken weniger belastend, weil wir einen Abstand dazu haben.

Entscheidend bei der Achtsamkeit in Bezug auf Angstgefühle ist es, weder vor der Angst zu fliehen und sie zu vermeiden, noch gegen sie anzukämpfen. Das sind nämlich die häufigsten Reaktionen mit denen von Angst betroffene Menschen reagieren und die leider dazu führen, dass sich die Angst verfestigt und die Flexibilität der Angst-Betroffenen immer weiter einschränkt wird. Ziel der Achtsamkeitslehre, bzw. der Achtsamkeitstherapie ist es hingegen, mit der Angst zu leben und trotz der Angst weiter zu machen, ohne gegen sie zu kämpfen.

Bildlich dargestellt würde es so aussehen: ich nehme die Angst an die Hand und die Angst geht mit, anstatt die Angst hat mich an der Hand und ich gehe mit.

Achtsamkeit, also die bewusste, nicht wertende Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt, kann dabei Unterstützung geben mit den Unsicherheiten und Ängsten die durch die existentielle Krise einer Krebserkrankung entsteht, umzugehen.
Angebote zum Stressabbau sind für Menschen in allen Lebenslagen hilfreich, ganz unabhängig von einer Krebserkrankung. Gerade während einer Erkrankung kann Achtsamkeit hilfreich sein, um sich besser zurecht zu finden und psychisch stabiler zu werden.

An dieser Stelle möchte ich ein Märchen mit Ihnen, liebe Leser, teilen. Lassen Sie uns gemeinsam bewusst werden, dass uns ständiges Bewerten und Beurteilen von der Achtsamkeit ablenkt und das Leben im „Hier und Jetzt“ verhindert.
Und, dass es immer unsere Entscheidung ist, den Tagen mehr Leben zu geben.

Tauchen sie ein in die Welt dieses kleinen Märchens und nehmen Sie mit allen Sinnen wahr, was es in diesem Augenblick des Lesens zu Sehen, zu Hören, zu Riechen und vielleicht zu Fühlen gibt.

Frühlingsblumen
Foto: WilfriedWende / pixabay.com

Plötzlich war es warm geworden. In wenigen Tagen hatte sich die Natur gewandelt, war aufgewacht. Osterglocken, Tulpen und Narzissen schmückten wieder die Beete der Gärten und Parkanlagen, und die Zweige der Forshythien hingen voller gelber Dolden.

Auch die Magnolien warteten schon darauf, ihre Knospen aufspringen zu lassen. Draußen auf der Wiese blühten die ersten Veilchen. Gänseblümchen streckten ihre gelben Augen der Sonne entgegen, und die Krokusse schauten wie bunte Ostereier aus dem Gras.

Beglückt wanderte ich durch die erwachende Natur. Welche Vielfalt brach da aus der Erde! Ein Wunder! „Was sind das für geheime Kräfte? Wo kommen sie her? Wo liegt ihr Ursprung?“ so fragte ich mich.

Eine leise Stimme antwortete mir. „Aus den Gedanken des Schöpfers sind wir entstanden, genau wie ihr.“ Ich horchte auf. Die Stimme kam wohl von dem Veilchen zu meinen Füssen. Verwundert bückte ich mich hinab und sog den Duft der kleinen violetten Pflanze ein. Er verzauberte mich.

Gleich neben dem Veilchen stand ein Gänseblümchen. „Warum riechst Du nicht?“ fragte ich. „Ich weiß es nicht; ich blühe, das ist mir genug“, antwortete die weiss-gelbe Blume.

Nun wandte ich mich wieder dem Veilchen zu. „Und Du, warum verkriechst Du Dich so unscheinbar im Gras? Du duftest doch so schön. Warum wirst Du nicht so groß wie die Tulpen und Narzissen?“

Ein zartes, frohes Lachen kam aus dem Gras: Ich blühe, ich darf blühen. Ist das nicht wunderschön! Jeder blüht hier, wie es ihm bestimmt ist.“

Beschämt richtete ich mich auf. Nach wenigen Schritten stand ich vor einer Gruppe bunter Krokusse. Einige von ihnen waren noch halb verschlossen, andere hatten ihre Blütenblätter weit auseinander gefaltet.

„Ihr werdet bald verblüht sein,“ sagte ich traurig. „Macht nichts,“ flüsterten die Krokusse, „macht nichts. Nächstes Jahr kommen wir ja wieder. Aber noch blühen wir. Wir freuen uns, dass wir blühen.“
Ein Raunen ging durch den Garten: „Wir blühen, wir blühen, wir freuen uns, dass wir blühen!“ Die Tulpen sagten es den Narzissen, die Osterglocken den Primeln, die Forsythiendolden den Haselwürstchen, Weidenkätzchen und Magnolienknospen: „Wir blühen, wir blühen; wir freuen uns, dass wir blühen…“

Ihre Frühlingsfreude ergriff mich. Wie angesteckt und tief erfüllt davon streckte ich die Arme der Sonne entgegen: ich bin, ich bin… ich freue mich, dass ich lebe.

Lebensfreude
Bild: Patientin S.

Das Bild der Pat. S. mit ihrem Text zeigt m. E.
die Präsenz und Lebendigkeit im „Hier und Jetzt“,
trotz der Bedrohung durch die Erkrankung.

Achtsamkeitstraining beinhaltet einen Handwerkskoffer voll hilfreicher Werkzeuge die wir je nach Bedarf und Zugang auch mit kreativen Medien, wie Imagination, Malen, Bewegung und Tanzen in der Therapie nutzen können.

Gerne unterstütze und begleite ich Sie in Ihrem individuellen Prozess der Krankheits,- sowie in der Trauerbewältigung und Ihren Sorgen und Nöten.

Ihre
Anne Geis